„Nach Corona wird alles anders“

Eberhard Sasse ist ein Vollblutunternehmer. Seine Gebäudereinigungsfirma hat er im Jahr 1976 gegründet und nach und nach, auch international, ausgebaut. Mittlerweile arbeiten über 5000 Menschen für die Dr. Sasse AG. Jetzt stehen im Leben des 69-Jährigen gleich zwei einschneidende Wechsel an: Demnächst wird er den (ehrenamtlichen) Posten als Präsident der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern abgeben – mit 400 000 Mitgliedsunternehmen die mit Abstand größte Kammer Deutschlands.

Zum Zweiten wird er auch in seinem eigenen Familienunternehmen einen Generationenwechsel vollziehen. Da trifft es sich, dass Sasse weder Wandel noch Wechsel scheut. Im Gegenteil, er ist davon überzeugt, dass – auch wegen Corona – nichts so bleiben kann, wie es ist. Und dass dadurch vieles besser wird. Ein Gespräch über Krisen, Chancen und die Rolle des Staates.

Eine Frage an Sie als Unternehmer: Wie fühlen Sie sich derzeit, wo der Staat überall hineinregiert?

Verblüfft in erster Linie, wenn man sieht, wie der Staat sich überall einmischt. Ein Bild aus dem Sport: Eigentlich hat der Staat die Rolle eines Schiedsrichters, der darauf achtet, dass die Rahmenbedingungen stimmen und die Regeln eingehalten werden. Jetzt will dieser Schiedsrichter plötzlich mitspielen, nicht mehr nur pfeifen, sondern selber Tore schießen. Da entwickelt sich ein falsches Rollenverständnis.

Wie kommt man da nach Corona wieder raus? Fürchten Sie längerfristige Folgen?

Nein, ich halte unsere Politiker für lernfähig. Die meisten jedenfalls. Es gibt gute Beispiele, für die Grenzen von staatlichem Handeln. Nehmen Sie den Versuch, den Einkauf von Corona-Impfstoffen bürokratisch von Brüssel aus zu regeln. Die Ergebnisse kennen wir. Ein Blick über den Ärmelkanal zeigt, wie es auch gegangen wäre. In Großbritannien wurde der Impfstoffeinkauf marktwirtschaftlich und unternehmerisch angegangen. Es wurden große Mengen eingekauft und fast die Hälfte der Briten ist heute geimpft.

Dann könnte ja das Gegenteil von staatlicher Machtverliebtheit eintreten, eine Art Demut eingedenk diverser Pannen?

Ich bin davon überzeugt, dass die politisch Verantwortlichen wie auch alle anderen Gruppen der Gesellschaft wissen, nach Corona beginnt eine neue Welt. Eine Rückkehr zu alten Ritualen kann es da nicht geben.

Was meinen Sie konkret?

Corona wirkt wie ein Turbobeschleuniger für vieles. Zum Beispiel das mobile Arbeiten, das wir seit einem Jahr ja auch schon ganz erfolgreich üben. Es kommt der digitale Handel und eine komplette Veränderung von Produktion und Arbeitsprozessen. Überall müssen wir vom Analogen zum Digitalen wechseln. Das gilt natürlich auch für die öffentliche Verwaltung. Jeder kennt die Schlangen, die sich vor Behörden wie dem Kreisverwaltungsreferat bilden. Das geht in Zukunft genauso wenig wie der holprige Informationsfluss zwischen staatlichen Stellen, zum Beispiel im Gesundheitswesen. Hier muss sich alles ändern.

Wird diese Notwendigkeit auch erkannt?

Ich hoffe es. Wir müssen wissen, es geht nicht mehr so weiter wie bisher. Man kann das vergleichen mit der Zeit, als das Automobil erfunden wurde. Wenn man da einen Kutscher gefragt hätte, wie es für ihn jetzt weitergeht, hätte der gesagt, wir müssen eben ein paar Rösser mehr einspannen und mit dem Pferdefuhrwerk schneller fahren. In so einer Situation sind wir jetzt. Wir können nicht mehr mit den alten Instrumenten weitermachen.

Die meisten Menschen mögen keine Veränderungen.

Stimmt. Es kommt zudem für uns Deutsche dazu, dass wir immer gerne vorausplanen. Das ist in vielen Bereichen ein Vorteil. Im Maschinenbau sind wir zum Beispiel deshalb so gut, weil wir so präzise sind. Aber Zukunft kann man nicht wie einen Motor bauen. Für Zukunft muss man den Mut zum Ungewissen, den Mut zum Irrtum und zum Risiko haben. Das müssen wir Deutschen jetzt lernen.

Glauben Sie, wir kriegen das hin?

Davon bin ich überzeugt. Ich bin Jahrgang 1951 und erinner mich noch gut an die 90er-Jahre. Damals wurde in einer amerikanischen Zeitschrift geschrieben: „Deutschland ist der kranke Mann Europas“. Und was ist dann passiert? Wir haben es in deb folgenden 20 Jahren geschafft, in Europa ganz nach vorn zu kommen und zum Motor zu werden. Das zeigt, wir haben die Kraft, wenn es sein muss. Wir haben nur manchmal ein Problem. Wir sind hervorragend im Entwickeln von Dingen, denken Sie nur an den Corona-Impfstoff. Das hat im Zusammenwirken von Wissenschaft und Unternehmen super geklappt. Der Impfstoff funktioniert und wird produziert. Und dann geschieht etwas Seltsames: Wir selbst kommen an unsere Produkte nicht mehr heran. So etwas passiert ja nicht zum ersten Mal, nehmen Sie die elektronische Datenverarbeitung oder das Fax-Gerät, auch das wurde in Deutschland entwickelt, aber zur Marktreife getrieben und wirtschaftlich umgesetzt wurde beides dann woanders.

Viele Unternehmen hängen gezwungenermaßen zurzeit am Tropf des Staates. Befürchten Sie, dass sich eine Vater-Staat-Mentalität festsetzt, die Corona überdauert?

Wir haben eine krisenhafte Situation. Da ist das Gebot der Stunde, dass die Solidargemeinschaft hilft. Es wird ja mit Steuergeldern finanziert, die unter anderem eben jene, Unternehmen und Selbstständigen vorher aufgebracht haben. Das ist die Kasse aller Bürger. Aus diesem Fonds muss jetzt denjenigen geholfen werden, die wegen staatlich verordneter – und notwendiger – Einschränkungen momentan nicht arbeiten können. Aber nur für diese Zeit. Danach werden die Unternehmer ihr Schicksal wieder selbst in die Hand nehmen. Da bin ich mir sicher.

Wenn Sie die gesamten Corona-Maßnahmen rückblickend betrachten, wie fällt Ihr Urteil aus?

Das muss man nüchtern analysieren. Am Anfang der Corona-Zeit hat die Politik schon richtige Weichen gestellt. Es wurden sehr schnell die richtigen Hilfs- und Förderprogramme aufgelegt. Und es wurde richtigerweise mit Wirtschaftsorganisationen zusammengearbeitet, wie zum Beispiel mit der IHK, die in Bayern die Beantragung und Vergabe der Unterstützungsleistungen übernommen hat. Dabei haben wir aber auch gemerkt, dass die Digitalisierung in unserem Land lahmt. Die entsprechenden Software-Programme waren nicht schnell genug und nicht in der nötigen Qualität verfügbar. Deshalb kam es zu den Verzögerungen bei der Auszahlung der Hilfen. Aber noch mal: Es bringt nichts, uns jetzt gegenseitig Schuld zuzuweisen. Alle gesellschaftlichen Gruppen müssen vielmehr daran mitwirken, dass wir die Probleme überwinden und nach vorn schauen.

Man hat aktuell den Eindruck, dass Wirtschaftsorganisationen wie die Ihre bei der Politik wenig Gehör finden. Eine Panne, wie die um den vorösterlichen Ruhetag hätte man vermeiden können, wenn vorher wirtschaftlicher Sachverstand eingeholt worden wäre.

Wir werden schon gehört. In dem Fall, den Sie ansprechen, ist zu schnell und zu wenig durchdacht gearbeitet worden, ganz klar. Man hat einen Fehler gemacht. Aber es hat in dieser Frage ein übergeordnetes Ziel gegeben, die Pandemiebekämpfung. Da waren die Scheuklappen vielleicht ein bisschen zu eng angelegt. Aber Wirtschaftsverbände und die Industrie konnten das Problem aufzeigen und der Fehler wurde dann ja auch schnell rückgängig gemacht. Da sollten wir nicht nachtreten. In solchen Krisen gibt es immer wieder Handlungsirrtümer, das lässt sich wohl gar nicht vermeiden.

Sie klingen insgesamt nicht unzufrieden und auch ganz optimistisch.

Ja. Es war holprig, es ist immer noch holprig. Aber wir sollten jetzt nicht nur in den Rückspiegel schauen, sondern nach vorne. Auch wenn wir wissen, dass die Zukunft schwierig ist und der Rückweg in die alte Zeit nicht möglich. Aber ich bin sicher, wir bringen Deutschland gut in die Zukunft, wie wir das vor 20 Jahren schon einmal geschafft haben. Ein Grund, warum ich da so zuversichtlich bin, ist auch, dass in vielen Familienunternehmen jetzt eine neue Generation an den Start geht, die Teil dieser Zukunft ist und die Dinge vorantreiben wird.

Auch in Ihrem Unternehmen steht der Generationenwechsel an.

Ja, ich übergebe das Geschäft an meine beiden Töchter. Und bin sicher, dass sie die Herausforderungen meistern werden. 

Interview: Corinna Maier

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