LÖSUNGEN, DIE ÜBERZEUGEN

Wie man ein Haus von Weltrang im Takt hält

Im Gespräch mit Dennis Just, dem technischer Leiter der Hamburger Elbphilharmonie und Laeiszhalle

Der Stolz, er ist vielen Hanseaten anzusehen. So erhaben und majestätisch ruht „ihre“ Elbphilharmonie über dem Wasser, dem Hafen und der Stadt, dass sich kaum einer mehr daran erinnern kann, dass sie einmal nicht dagewesen sein soll. Zweifellos hat die Elbphilharmonie ihr Publikum im Sturm erobert. Einerseits mit musikalischen Darbietungen von Weltrang; zudem ist sie selbst zur schillernden Hauptdarstellerin Hamburgs geworden.

Dennis Just ist gebürtiger Hamburger, und trotz seiner besonnenen Art ist auch ihm der Stolz anzumerken. Als technischer Leiter der Elbphilharmonie ist er mitverantwortlich für deren makellosen Ruf. Der Herr über mehr als 30.000 Datenpunkte und über 4.000 technische Anlagen, die auf mehr als 125.000 Quadratmetern Fläche jeden Tag gewartet und gepflegt werden müssen, bespielt hinter den Kulissen seine ganz eigene Bühne. Anders als der Anfang 2017 eröffnete Prachtbau lebt Justs Arbeit jedoch von der Unsichtbarkeit. Denn reibungslos sind die technischen Abläufe dann, wenn Millionen Gäste aus aller Herren Länder sie nicht bemerken.


„Alles ist genau berechnet und wird digital gesteuert, damit die Zuschauer von unserem enormen technischen Aufwand nichts mitbekommen“

Dennis Just,
Technischer Leiter Hamburger Elbphilharmonie und Laeiszhalle

Dennis Just


 „Das Gebäude ist sehr komplex, jede Menge Prozesse greifen ineinander“, sagt der technische Leiter, während er durch die Foyers und Säle führt, die wegen der waben- und wogenhaften Architektur von Jacques Herzog und Pierre de Meuron wie organisch miteinander verwoben scheinen. 50 Prozent der Gesamtfläche macht der Konzertbereich der Elbphilharmonie aus, die andere Hälfte besteht aus einem Luxushotel, 45 Privatwohnungen, einem Parkhaus, einem Restaurant sowie der großzügigen, 37 Meter über den Dächern der Stadt gelegenen Plaza, auf der sich in den ersten anderthalb Jahren nahezu sechs Millionen Besucher tummelten. Über eine umfassende Gebäudeleittechnik sind alle Bereiche miteinander verknüpft – und werden täglich von Just und seinem Technikteam orchestriert.

Für seine Arbeit ist der 38-Jährige, der die technische Entwicklung der Elbphilharmonie schon während der Bauphase begleitete, auf die Digitalisierung vieler Prozesse angewiesen. Deshalb finden sich beispielsweise im gesamten Gebäude Tableaus, mit denen autorisierte Mitarbeiter an zahlreichen Knotenpunkten jederzeit und dezentral auf die Steuerung des Hauses zugreifen können. Via Touchscreen lässt sich so zum Beispiel die komplexe Lichtsteuerung takten. „Das Haus ist viel zu groß, um es nur aus einer Zentrale zu steuern“, so Just. „Mit den Displays können wir zum Beispiel farbige Lichtszenen von überall aus programmieren.“ Nur auf der Südseite, zum Wasser hin, darf kein rotes oder grünes Licht vollflächig strahlen, um die Schifffahrt nicht fehlzuleiten.

Hunderttausende Gäste aus aller Herren Länder waren seit der Eröffnung der Elbphilharmonie Anfang 2017 im Großen Saal zu Gast. Seine Reputation als „Klangwunderwerk“ hat dem 2.100 Plätze umfassenden Saal die spezielle Wabentechnologie eingebracht: Ungefähr 10.000 Paneele mit einem Gesamtgewicht von 400 Tonnen bilden diese sogenannte „Weiße Haut“. Die Steuerung des Großen Saals geschieht hoch über dem Raum: Das Publikum sieht also nicht den aufwändigen technischen Betrieb, sondern genießt das Ergebnis.

Während die Organisation und Durchführung der Bühnentechnik, Tontechnik und Lichttechnik vollständig in den Händen des Konzerthauses liegt, verlässt Just sich für andere technische Bereiche auf einen externen, konstanten Partner: „Alle Kontrollen und Wartungen rund um die technische Gebäudeausstattung, also Energieversorgung, Lüftung, Kühlung und Wärme, sind an einen externen Facility-Management-Dienstleister abgegeben“, so Just. Auch die Unterhalts-, Glas- und Sonderreinigung des neuen Hamburger Wahrzeichens ist 24/7 an ein externes FM-Unternehmen übertragen. So bleibt ihm und seinem Team mehr Zeit für die konzertspezifischen Anlagen der Elbphilharmonie, deren umfangreiche Vernetzung und feinjustierte Steuerung die ungeteilte Aufmerksamkeit der Experten erfordern.

In der 12. Etage beginnt das Herzstück des Hauses: Just öffnet eine breite Tür und bittet in den schon weltberühmt gewordenen Großen Saal. Ungefähr eine Million Zuschauer aus der ganzen Welt waren hier bereits in Konzerten zu Gast. Um das Erlebnis für jeden unvergesslich zu machen, wurden die 2.100 Sitzplätze so angelegt, dass keiner mehr als 30 Meter vom Dirigenten entfernt gelegen ist. Just steigt auf die riesige Holzbühne. Je nach Bedarf können die Bühnenpodien höhenverstellt werden. Anders, als viele womöglich erwarten, ist das musikalische Angebot der Elbphilharmonie nicht auf klassische Konzerte beschränkt. Ungefähr ein Drittel des Programms besteht aus Jazz, Weltmusik und Pop. Dass der Große Saal jedoch einen Ruf als „Klangwunderwerk“ genießt, liegt unter anderem an der sogenannten Weißen Haut.

„Das Haus ist voller Spezialkonstruktionen, aber die Weiße Haut ist selbst unter den Besonderheiten eine Besonderheit.“ Er breitet die Arme aus und zeigt auf die hellen, 3-D-gefrästen Gipsfaserplatten mit den wabenförmigen Einkerbungen, die den Großen Saal auf 6.500 Quadratmeter überziehen. Erdacht wurden sie vom Akustiker Yasuhisa Toyota sowie den Architekten. Die Paneele sehen dekorativ aus, vor allem aber sind sie unverzichtbar für den Klang: „Jede Wabe ist exakt berechnet“, erklärt Just. „Würde man einige der Paneele austauschen, würde das die Akustik verändern.“

Der Technik-Bereich des Großen Saals ist dort gelegen, wo man ihn am wenigsten vermuten würde, mehr als 20 Meter oberhalb der Bühne. Dort oben, von wo die Notenpulte nur noch spielzeuggroß erscheinen, spielt sich ein eigenes Spektakel ab. An die schweren Stahlträger sind tonnenweise Abhängungen, Leitungen, Verteilungen, Kettenzüge sowie unzählige Scheinwerfer verbaut. In diesen verschlungenen, hinter der Weißen Haut verborgenen Gängen muss sich das Auge erst ein wenig eingewöhnen. Der Neigungswinkel jedes Scheinwerfers, die Beleuchtungsstärken, der Lichtkreisdurchmesser: „Alles ist genau berechnet und wird digital gesteuert, damit die Zuschauer von unserem enormen technischen Aufwand nichts mitbekommen“, so Just.

Nach einer umfangreichen Planungs- und Testphase läuft der technische Betrieb in der Elbphilharmonie seit der Eröffnung rund. „Alle Abläufe sind stabil, und es gab noch keinen einzigen technischen Ausfall, der eine Veranstaltung verhindert hat.“ Vielmehr hat die Elbphilharmonie sich längst einen Namen auf der Weltbühne gemacht. Zwar steht Dennis Just nicht selbst im Rampenlicht. Doch er ist stolz auf Hamburgs neue Hauptdarstellerin.


Bilder: www.franzgruenewald.de